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Von der spätrömischen Dekadenz und wie ein Amt Schaden nimmt

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Bild von Guido Westerwelle
Guido Westerwelle (FDP)
von Dirk Vorderstraße (CC-BY)

Guido Westerwelle fiel eigentlich noch nie sonderlich durch Diplomatie auf, und eigentlich ist das nichts Schlimmes. Politik lebt auch von Emotionen, von Charakteren und von Personen, an denen man sich reiben kann. Kurzum, so sehr mir er und sein Tun auch unsympathisch sind, in der Politik braucht es auch mal Marken wie ihn. Seien wir doch mal ehrlich, eine Republik aus lauter Angela Merkels wäre langweilig und wahrscheinlich einfach nur unfähig auch nur einen sinnvollen Schritt nach vorne zu gehen. Sie wäre gefesselt in Nebelschwadenbildern der Nichtpositionierung, sozusagen.

Was Guido Westerwelle für mich zu einem ernsthaften Problem macht, über das man eben nicht so leicht hinwegsehen kann, ist sein Amt. Der Bundesaußenminister sollte zwei Dinge beherrschen: Englisch und ständige diplomatische Staatstragenheit.

Während man ersteres relativ schnell lernen kann, ist zweiteres ein Wesenszug, mit dem man entweder geboren wird oder den man nur über sehr lange Zeit erlernen kann. Und beides scheint bei Herrn Westerwelle nicht der Fall zu sein und er beschädigt damit ein Amt, das ironischerweise gerade durch bisherige Außenminister der FDP zu seinem Ansehen gekommen ist.

Mich würde wirklich brennend interessieren, was Walter Scheel und Hans Dietrich Genscher gerade über Westerwelle und sein Handeln denken, aber eines bin ich mir gewiss: Begeisterung werden sie sicher nicht verspüren.

Warum ist Herr Westerwelle eigentlich Außenminister geworden? Ich meine diese Frage ernst. Er ist nie sonderlich mit Positionen zur Außenpolitik aufgefallen als er noch Oppositionsführer war. Sein Steckenpferd ist die Wirtschafts- und Sozialpolitik, das ist schon immer so gewesen. Seine Art dabei schon immer polarisierend und polemisch. Natürlich musste Guido Vizekanzler werden, es ist demokratische Normalität, dass der kleine Koalitionspartner den Vizekanzler stellt. Und ja, es ist nicht unüblich, dass der Vizekanzler auch der Außenminister ist, aber in der letzten Legislaturperiode lag diese Ehre zeitweise beim Arbeitsminister. Hat sich Guido so der Parteitradition verpflichtet gefühlt? Hat er seine Fähigkeiten überschätzt? Hat er seine personelle Wichtigkeit in der FDP unterschätzt?

Wahrscheinlich ist es, dass Mama Merkel ihn unbedingt auf diesem Posten haben wollte um ihn zu entschärfen. Ich denke, sie hat schon geahnt, dass der Guido sich nicht so leicht ändern lässt und eben auch von der Regierungsbank wie zu Oppositionszeiten poltern möchte. Sie hat sicher damit gerechnet, dass er sich als Außenminister zu beherrschen weiß.

Leider hat sie sich da verschätzt und dies war meiner Meinung nach vorauszusehen. Bereits vor der Wahl fragte ich mich, in wie weit die „One-Man-Show“, welche die FDP war und ist, die Wahlchancen der FDP erhöht oder senkt. Schon damals konnte man sich fragen, wer da eigentlich noch so in der FDP vorhanden ist neben Guido Westerwelle. Im Wahlkampf war nur er präsent, er tingelte von Talkshow zu Talkshow. Außer ihm fiel niemand aus der FDP auf.

Bild von Angela Merkel
Angela Merkel (CDU)
von א (Aleph) (CC-BY-SA)

Und nach der Wahl? Da war die FDP mehr oder weniger verschwunden, und das obwohl sie ja mittlerweile mehrere Minister stellt. Ich wette, wenn man auf der Straße einen wahllos ausgesuchten Passanten bittet, den Begriff „Rösler“ mit Gesundheit zu verknüpfen, ist es wahrscheinlicher, dass er das Wort für den Namen einer Grippe halten wird als dass er korrekt diagnostiziert, dass es sich dabei um unseren Gesundheitsminister handelt.

Als Guido zu Beginn der Legislaturperiode ins Ausland aufbrach, hinterließ er ein Machtvakuum in der FDP. Er vollzog im Ausland selbst keine Glanzleistungen, allerdings kann man das jedem zu Beginn seiner Amtzeit durchaus nachsehen. Aber eben weil ihm bei seinen Taten der Glanz fehlte und er in das Präsidiale seines Amtes entschwunden ist, hatte die FDP ein Problem: Sie fiel in der breiten Öffentlichkeit nicht mehr auf.

Und dann, ja dann kam der Fall Mövenpick. Und die FDP hatte niemanden, der sich ins Rampenlicht stellen konnte, um das Ruder rumzureisen. Genau dazu braucht die FDP eben ihren Übervater Guido Westerwelle. Die Wahl, vor der er stand, war sicher nicht einfach für einen Parteichef: Das Amt des Außenministers ausfüllen und damit die Partei beschädigen, oder das Amt des Parteichefs ausfüllen und das Außenministerium beschädigen.

Warum Guido sich für letzteres entschieden hat, ist mir ein Rätsel. Aber er fing an, das zu tun, was er kann: Holzen. Polemisch ein Thema setzen, eine Meinung kundtun, schrill und laut. Das hatte er auch jahrelang in der Opposition üben können. Die Mövenpicksache konnte er schön damit übertünchen und ein neues Thema setzen. Und dabei hatte er eine stille Helferin: Angela Merkel.

Guido kann nur so stark auffallen und bekommt nur deswegen so viel Aufmerksamkeit, weil die Frau die eigentlich die Richtlinienkompetenz besitzt, scheinbar im Geiste noch in der Großen Koalition ist. Ihr Führungsstil des „ja nichts falsches sagen“, des „möglichst spät Stellung beziehen“ hinterlässt ein so großes Machtvakuum, dass es eigentlich klar war, dass davon andere angezogen werden. Westerwelle ist zwar nicht der einzige, der die Sogwirkung spürt, aber der erste, der dabei so auffällt.

Angela Merkel muss endlich anfangen, die Führung der Regierung zu übernehmen, denn es kann einfach nicht sein, dass einer nach dem anderen in dieser Regierung versucht, die Führungsrolle zu besetzen und auf jeden Fall nicht nur aus machtpolitischen Gründen.

Und genau das ist ja der Vorstoß Westerwelle zur spätrömischen Dekadenz, er versuchte damit von seinem „Spendenskandal“ abzulenken. Zwar war Westerwelle der Erfolg hier gegönnt, aber das Universum hat irgendwie doch einen schönen Sinn für Ironie. Die ganze Geschichte fällt Herrn Westerwelle nämlich komplett auf die Füße. Nachdem er sich selbst zum Feindbild machte, wurde von anderen gesucht, was er sich sonst so für Verfehlungen leistet. Dass passiert einem eben, wenn man sich zum Feindbild macht.

Bild von Westerwelle mit Freund
Guido Westerwelle mit Freund
von Tafkas (CC-BY-SA)

Und gerade Herr Westerwelle legt ein Verhalten an den Tag, dass viel Anlass zur Kritik gibt. Da werden die privaten Geschäftsinteressen mit den Möglichkeiten, die einem das Amt des Außenministers bietet, fröhlich vermischt. Da nimmt er den Freund auf Reisen durch die Welt mit und bietet ihm ein schönes Rahmenprogramm, damit er sich auch ja nicht langweilt und auch für Geschäftsfreunde des Bruders und Großspender der FDP wird ganz vorzüglich gesorgt.

Herr Westerwelle, wenn man die Dekadenz jetzt wörtlich und nicht spätrömisch sondern griechisch versteht – also als Veränderung der Gesellschaft, die auf Verfall hindeutet – dann, ja dann muss man sagen, Sie haben hier vollkommen Recht und zu 100% ins Schwarze getroffen:

Eine Gesellschaft in der sich ein Außenminister so verhalten kann, zeigt Anzeichen von Verfall und ist damit dekadent. Und genau diese Arroganz und Dekadenz zeigten die Machthaber im alten Rom auch, weswegen ich Ihnen gerne beipflichte, wenn Sie von spätrömischer Dekadenz reden.

Das Ganze ist von Guido einfach ein klassisches Eigentor oder in Neudeutsch ausgedrückt: Mister Westerwave? self-owned!

Kritik hat Herr Westerwelle verdient und zwar in rauen Mengen. Da kann der Herr Lindner, Generalsekretär der FDP noch so oft von Demokratie-Gefährdung schwadronieren. Da bleibt für mich nur noch eins zu sagen, man soll ja sowieso mit den Worten ganz bekannter Menschen seine Texte beenden:

Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ohne Kritik Demokratie geben kann. Damit fängt sie an. Michael Gorbatschow

Herr Lindner, da können sie noch was lernen! 😉



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